Wie entsteht ein unterirdischer Abwasserkanal, der in seiner Länge ungefähr viermal der Höhe des Gasometers entspricht? Und wie lässt sich dieses Vorhaben in möglichst kurzer Zeit und mit vergleichsweise wenig Einschränkungen für den Straßenverkehr umsetzen? Die Antwort lautet Rohrvortrieb. Dabei wird, wie der Name bereits vermuten lässt, das Kanalrohr in einer Tiefe von ca. sechs bis neun Metern unterirdisch durch den Boden getrieben. Wie das Verfahren genau abläuft, weiß Anke Froese, Bauleiterin bei der WBO und verantwortlich für das Großprojekt: „Nach Abschluss der Planung beginnen die Arbeiten bei unterirdisch stattfindenden Maßnahmen mit der Kampfmittelsondierung. Dadurch versuchen wir auszuschließen, dass wir beim Vortrieb auf Blindgänger oder Ähnliches treffen.“ Anschließend erfolgt der Aushub der sogenannten Startgrube, die mit Spritzbeton ausgekleidet wird. Diese ist fünf Meter breit, zehn Meter lang und sechs Meter tief. Nach der Vorbereitung der Baugrube werden der Bohrkopf und die Pressen in die Baugrube eingebracht. Ein besonders spannender Moment, auch für die erfahrene Bauleiterin. „Wenn der Bohrkopf geliefert wird und mit seinen 19 Tonnen am Kran hängt, der ihn in die Startgrube hinablässt, ist das ein wichtiger Schritt, denn dann stehen wir kurz vor dem Start der eigentlichen Bohrung.“ Dabei gräbt sich der Bohrkopf Stück für Stück durch das Erdreich. Der Boden wird an der sogenannten Ortsbrust abgebaut und mittels Förderband und Kübeln bis zur Startgrube befördert. Ist eine entsprechende Länge erreicht, treiben Presszylinder die eingesetzten Betonrohre hydraulisch in den Boden. Um Reibungskräfte zwischen den Rohren und dem sie umgebenen Untergrund zu reduzieren setzen die Fachleute eine Betonitsuspension, die die Rohre von außen schmiert. „Um es einfach zu sagen: der Bohrkopf gräbt sich ca. eineinhalb Meter durch den Boden. Dann setzen wir in der Baugrube das erste Stahlbetonrohr ein, das hinter dem Bohrkopf hergeschoben wird. Dann gräbt der Bohrkopf weiter, bis genügend Strecke erreicht ist, um das nächste Rohr einzusetzen. Das Verfahren wiederholen wir so lange, bis wir an der Zielgrube angelangt sind“, erklärt Anke Froese. Das sind immerhin über 470 Meter. Die WBO verbaut unterirdisch 157 Stahlbetonrohre mit einem Innendurchmesser von 1,6 Metern und einer Länge von drei Metern.
Vestische Straße weiterhin als Einbahnstraße befahrbar
Entschieden hat sich die WBO für das Verfahren des Rohrvortriebs um möglichst schnell die Baumaßnahme durchzuführen und den Verkehr so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. „Im Gegensatz zum ´normalen´ Kanalbau liegen wir hier bei ca. 1/3 der Bauzeit“, erklärt Anke Froese. Darüber hinaus gibt es auf der Strecke in Höhe der Straße ´Zum Steigerhaus´ eine Fußgänger- / Radbrücke und einen kreuzenden bestehenden Kanal. „In offener Bauweise müssten wir hier sehr aufwendige Überleitungen mit einplanen. Außerdem ermöglicht uns der Rohrvortrieb, dass die Vestische Straße weiter in eine Fahrtrichtung genutzt werden kann, sonst hätten wir hier eine Vollsperrung einrichten müssen.“ Die gesamte Baumaßnahme umfasst insgesamt 46 Kalenderwochen Bauzeit. Geplant ist es bis Ende Dezember 2021 fertig zu sein. Der reine Rohrvortrieb läuft geplant für 6 Wochen.